Oliver WalchAllgemein, TurnvereinKommentar schreiben

Am Bettag-Wochenende vom 20./21. September erkundeten 16 Turner des TV Wilchingen anlässlich der diesjährigen Turnfahrt die wunderschöne Seenlandschaft des Pioratals, oberhalb Piotta.

Am Samstagmorgen in der Früh versammelte sich beim Wilchinger Storchen eine 16 köpfige Turnerschar für die traditionelle Turnfahrt des TV Wilchingen. Mit Privatfahrzeugen ging es nach Neuhausen, von wo aus uns die SBB in die Region des Gotthard-Südportals brachte. In Airolo angekommen, stärkte sich die muntere Gruppe mit Kaffe und Gipfeli für die bevorstehende Wanderung. Organisator Rami Aro hatte eine – wie sich später herausstellte – ehrgeizige Wanderung im Pioratal geplant. Doch zuerst wurden die Turner mit dem Postauto weiter nach Piotta chauffiert, wonach es zu Fuss zur Standseilbahn Ritom ging. Beim Anblick der Standseilbahn fällt jedem Betrachter sofort die eindrückliche Steigung auf. Mit 87,8% maximaler Steigung ist die Ritom-Standseilbahn eine der steilsten Bahnen der Welt, was die Bergfahrt fühlbar bestätigte. Bei der Bergstation angekommen, instruierte uns der Organisator über sein Vorhaben. Das Pioratal wäre bekannt für seine wunderschöne Seenlandschaft, welche auf einer 7-Seen-Wanderung entdeckt werden kann. Was nach einer gemütlichen Wanderung klang, hatte auch so begonnen. Es war zwar etwas frisch auf 1’800 m ü.M., aber Petrus war an diesem Tag ein Turnerfreund und das Tessin als Sonnenstube der Schweiz, machte einmal mehr seinem Namen alle Ehre.

Entlang des Lago Ritom wanderte die Turnerschar in Richtung Lukmanierpass. Beim Passieren des zweiten Sees namens Lago Cadagno machte sich Hunger breit und der Griff zum heimischen Tropfen aus dem Blauburgunderland war auch nicht mehr zu stoppen. So gesellte sich die Gruppe ans Seeufer, verpflegte sich aus der Lunchbox, liess die Zinnbecher klirren und bestaunte die imposante Bergwelt.

Die Heiterkeit beim Aufbruch war ansteckend, da wusste noch keiner so recht, welche Anstrengungen bevorstanden. Bei der nächsten Verzweigung, steuerte unser Tourguide zielstrebig auf einen Trampelpfad zu, der in luftiger Höhe zu verschwinden schien. Doch der Pfad verschwand natürlich nicht, sondern führte die Wandervögel auf direktem Wege in die Bergwelt des Gotthardmassivs zum dritten See namens Lago di Dentro. Damit war der Berg aber noch nicht bezwungen, sondern der Aufstieg zur Bergkuppe auf gut 2’550 m ü.M. sah noch steiler und unbegehbarer aus. Aus der Schar wurden allmählich kleine Schärchen. Die Jüngeren zogen davon wie leichtfüssige Gämsen, und die etwas weiseren Turner hatten eher einen gemütlichen Gang drin, dafür aber auch eine bestechende Strategie: Balast abwerfen. Schliesslich ist jede leere Flasche Blauburgunder in zweierlei Hinsicht eine gute Tat – verleiht dem Rucksack die erwünschte Leichtigkeit und fördert den Wandertrieb, ohne dabei auf der Bergsport-Dopingliste zu stehen.

Die Bergkuppe war weiss überzogen und ein eisiger Wind fegte über die Vegetation, so dass sich die spätsommerlichen Temperaturen eher wie Minus-Grade anfühlten. So war auch jeder bestrebt, die Bergkuppe zügig zu passieren und den Abstieg ins windgeschützte Tal einzuleiten. Dieser gestaltete sich dann aber für einige Turner auch nicht ganz so einfach. Da im Schneefeld auf der Bergkuppe die Wanderweg-Markierungen eher mühsam zu orten waren, hatten einige Turner die wegsame Route definitiv verlassen und die Orientierung verloren. So kam es, dass die im Tal angekommenen Turner Ausschau nach gestrandeten Kameraden hielten, welche in Felswänden und Geröll-Abhängen statt auf der Wanderroute unterwegs waren. Was als Trekking-Pfad Stufe 2 beschrieben war, hat sich dann doch eher als Kletterpfad entpuppt. Trotzdem schafften es alle bis ins Zwischental, worauf nach einer kurzen Verschnaufpause der nächste Anstieg zur SAC-Hütte Cadlimo in Angriff genommen wurde.

Vorbei an See Nummer vier und fünf und nach einer weiteren Stunde stetiger Steigung erschien die SAC-Hütte auf 2’570 m ü.M. endlich im Blickfeld. Die Spitzengruppe war bereits da, weitere trudelten nach und nach ein, und wiederum andere liessen sich etwas mehr Zeit für den Aufstieg und kamen pünktlich aufs Abendessen. Der noch junge Abend wurde dann mit Spielen, angeregten Gesprächen und Geselligkeit ausgefüllt. Als die Hausherrin aber um Punkt 22.00 Uhr die letzte Runde einläutete und auf die geltende Bettruhe hinwies, hielten dies einige Gäste doch eher für einen schlechten Scherz. Sie schien es ernst zu meinen und bezeugte dies durch radikales Lichterlöschen im Essraum. Und auch als sie nach mehreren Interventionen an der angeordneten Nachtruhe festhielt, machten sich die Turner auf ins Nachtlager, denn müde waren garantiert alle. Zudem waren wir ja auch nicht die einzigen Gäste im Haus.

Am Sonntagmorgen, gestärkt vom Zmorgenbuffet, machte sich die muntere Turnerschar bei klirrender Kälte von -5°C wieder an den Abstieg in Richtung Ritom-Standseilbahn, welche uns zurück nach Piotta führen sollte. Die Wanderung führte uns an den letzten beiden Seen vorbei, Lago Scuro und Lago di Tom, und bei der Ankunft am Staussee Lago Ritom, dem eigentlichen Ausgangspunkt unserer Wanderung, schloss sich der Kreis der 7-Seen-Wanderung. Während dem Abstieg luden einige Aussichtspunkte zum Verweilen ein, denn das Panorama war schlichtweg atemberaubend und die warnenden Laute der Murmelis verstärkten diese Idylle. Aber der Zeitplan war eng gesteckt, und so mussten wir um 11.00 Uhr die Standseilbahn erreichen, die uns zurück ins Tal brachte.

Nach diesem Höhentraining stand zur Abrundung der Turnfahrt noch eine Velotour von Airolo nach Biasca auf dem Programm. Nachdem das Postauto die Turner von Piotta wieder zurück nach Airolo brachte, fassten wir bei der SBB die Velos für die gut 40 km lange Tour. Nach einer ausführlichen Instruktion und dem mahnenden Hinweis, dass sich der Pneubelag bei zu starker Abnutzung sprich brüsken Bremsmanövern blau färbt, war es an der Zeit, diese Drahtesel auszutesten. Der Organisator motivierte die strapazierten Turner mit dem Versprechen, dass es nur bergab gehe und dass wir unterwegs in einem Grotto einkehren werden.

Nun, das Versprechen wurde mehr oder weniger eingehalten und die teilweise rasante Abfahrt führte uns über die alte Kantonsstrasse, über Velowege und Brücken entlang dem Ticino in Richtung Biasca. Historische Radtour-Schilder am Rande erinnerten an Erich Kästners Kinderbuch „Mein Name ist Eugen“ und die damalige Leserschaft hatte die abenteuerliche Abfahrt der vier Schulfreunde Eugen, Wrigley, Eduard und Bäschteli ennet em Gotthard wieder präsent und fühlten deren Freiheitsdrang hautnah mit. Kurz vor Giornico zweigt der Veloweg ab und über eine alte Steinbrücke gelangten wir in den Dorfkern, wo uns das „Grotto Pergola“ zum Mittagessen erwartete. Nun „erwartete“ ist wohl etwas optimistisch formuliert, denn wir hatten eher auf die gutbürgerliche Tessiner Küche zu warten. Dennoch genoss jeder Turner die Pause und sonnte sich unter der rebenüberwachsenen Pergola in den durchfallenden Sonnenstrahlen.

Nach dem Dessert machte sich die Turnerschar zügig auf, denn es galt den vier Uhr Zug in Biasca zu erwischen. Um die etwas länger als geplante Mittagspause wett zu machen, mussten die Turner zünftig in die Pedalen treten. Trotz Umwegen kamen alle in Biasca zeitig an, und nach der Velorückgabe blieb sogar noch Zeit, um sich beim Kiosk mit Getränken und Snacks für die Heimfahrt zu versorgen. Und so bestiegen die 16 Turner den Zug in Biasca, erschöpft aber glücklich von dieser Tessiner Turnfahrt, und genossen mehrheitlich dösend die Heimfahrt ins Schaffhauserland. (RA)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert